Am 17.3.2021 hat der Rat der Stadt Münster mit der überwältigenden Mehrheit von 40 gegen 26 Stimmen die Teilsperrung der Coermühle für den KFZ-Verkehr beschlossen (landwirtschaftlicher Verkehr und Fahrräder freie Durchfahrt). Anfang Mai wurde dieser Beschluss umgesetzt. Obwohl Anwohner in unmittelbarer Nähe des gesperrten Abschnitts von der Verwaltung Sondergenehmigungen für die Durchfahrt erhalten haben, gibt es von Seiten einiger Bürger*innen in Gelmer, Gittrup und anderswo, unterstützt durch die CDU, Widerstand gegen diesen über einen demokratischen Prozess zustande gekommenen Beschluss.
Dabei werden bei unterschiedlichen Formulierungen im Wesentlichen folgende Punkte geltend gemacht. Dazu direkt unsere zentralen Gegenargumente:
- Diese jetzige Teilsperrung diene nicht dem Naturschutz, der Vogelschutz sei trotz der vorherigen KFZ-Belastung durch die Straße Coermühle gewährleistet gewesen.
- Dagegen weisen wir von der BI darauf hin, dass es nach EU-Regularien ein Verschlechterungsverbot für solche Schutzgebiete gibt. Der KFZ-Verkehr hat in den letzten zwanzig Jahren (2001- 2019, ohne Corona-Zeitraum) nach den Zählungen der Biologischen Station um 65,6 % zugenommen. Zahlreich vom KFZ-Verkehr getötete Tiere sind immer wieder fotografisch dokumentiert worden. Weitere Detailangaben sind den jährlich erstellten Statistiken der Biologischen Station zu entnehmen (erschreckende Zahlen z. B. zum morgendlichen Einpendel-Verkehr zwischen 6 und 9 Uhr etc.). Angesichts dieser Datenlage zu behaupten, dass eine KFZ-Straße durch ein solches Naturschutzgebiet heutzutage noch zu rechtfertigen sei, halten wir für abwegig.
- Die Coermühle sei eine Lebensader für Gelmer, Gelmer werde von Münster abgeschnitten und Anwohner*innen würden mehr Lärm, Staus und mehr Umweltbelastungen durch diese Straßensperrung ausgesetzt. Es wir sogar behauptet, dass die Fahrmöglichkeit über die Coermühle dem Umweltschutz dienlicher war als deren jetzige Sperrung.
- Dagegen verweisen wir auf Aussagen des im Auftrag des Runden Tisches erstellten Gutachtens: Z. B. wird eine Entlastung der Gittruperstraße in Gelmer vom KFZ-Verkehr um mehr als 30% bei einer Sperrung in Aussicht gestellt. Gelmer ist über den Schifffahrter Damm optimal an Münster angebunden. Es gibt drei Busverbindungen in der Stunde nach Münster, der Fahrradweg entlang dem Kanal wird mit einer Lichtanlage ausgestattet.
- Grundsätzlich ist festzuhalten: Über den Charakter, Sinn und Zweck der Coermühle bestimmen nicht privilegiert wenige in Gelmer, Pendler und einige Marktinteressenten, sondern auch Naturschützer, Erholung suchende, Landschaftsgeniesser, Fahrradfahrer*innen u.a. in und ausserhalb Münsters.
Die für einige Bürger*innen verbleibenden erforderlichen Umwege-Fahrten stellen insgesamt keine größere Umwelt-belastung dar: Auch wenn wenige Bürger statt 2, jetzt 8 km für eine Umweg-Strecke mit dem KFZ fahren müssen, ist bei einer Beurteilung der Umweltschädlichkeit (Co2, Feinstaub etc.) vor allem der Wegfall des Ein- und Auspendlerverkehrs durch die Straßensperrung mit zu berücksichtigen. Und nicht für alle bisherigen KFZ-Nutzer der Coermühle war dieser Weg per se kürzer als der alternative über den Schifffahrter Damm. Deshalb kann nicht von einem erhöhten Ausstoß an CO2 etc. im Einzelfall auf die regionale Gesamtsituation geschlossen werden. Manche Personen stellen sich als die klügeren Umweltschützer dar, wenn sie auf ihre jetzt längeren Wege mit dem PKW verweisen. Sie würden ja viel besser mit einer Fahrt über die viel kürzere Coermühle-Strecke der Umwelt dienen. Oft ist die Wege-Wahl der Gewohnheit bzw. der Bequemlichkeit geschuldet. Entscheidend zu gewichten bleiben auch diesbezüglich die nicht direkt über Co2-Mengen zu bestimmenden ökologischen Qualitäten des Arten- und Naturschutzes dieses EU-Reservates für Vogelschutz wie der Erholungswert für dessen Besucher. Auch der Mensch ist ein Teil der Natur und hat als kulturelles Wesen ein berechtigtes ästhetisches Interesse am Genuss der Natur. Das kann nicht oft genug wiederholt werden.
- Wiederholt wird behauptet, dass Bürger*innen in Gelmer und andere Bürger*innen bei der Entscheidungsfindung über die Sperrung der Coermühle nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
- Dagegen verweisen wir u. a. auf den Runden Tisch: Die Einrichtung des Runden Tisches, auf Vorschlag des Oberbürgermeisters Lewe, war der Versuch, Vertretern unterschiedlicher Bürgerinteressen die Chance zu eröffnen sich in einem Konsenszusammenfinden: Unterhalb der „großen Glocke“ des Rates hätte durch repräsentative Bürgerbeteiligung ein über Jahrzehnte sich hinziehender politischer Konflikt entschärft und ein tragfähiger Versuch einer akzeptierten neuen Verkehrsregelung auf den Weg gebracht werden können. Das waren die Intention und die Hoffnung. Ein Konsens ist dadurch definiert, dass keine(r) der daran Beteiligten widerspricht, was nicht mit einer inhaltlichen Übereinstimmung mit dem Beschlossenen verwechselt werden darf. Eingeladen zum Runden Tisch waren Vertreter*innen politischer Parteien, der BI und der Biologischen Station. Zum Ende des 2. Runden Tisches zeichnete sich ab, dass nicht alle Interessen-Vertreter*innen die von der Verwaltung vorgeschlagene Einbahnstraßen-Regelung (als ein Verkehrs-Versuch) widerspruchslos akzeptieren würden. Spätestens damit wurde deutlich, dass der Runde Tisch eine demokratisch legitimierte Ratsentscheidung nicht hätte ersetzen oder durch die Vorlage einer Konsensentscheidung erleichternd auf den Weg hätte bringen konnte. Der Runde Tisch war ein demokratisches politisches Forum: Die Interessensvertreter konnten ihrer Klientel am Runden Tisch wie in der Öffentlichkeit Gehör schaffen. Sie konnten an die Bürger*innen, deren Interessen sie vertreten, sach- und konfliktbezogene Informationen weiterleiten. Jetzt zu behaupten oder zu suggerieren, dass der Runde Tisch einer Ratsentscheidung weiterhin hätte vorgeschaltet bleiben müssen oder diese hätte überflüssig machen können, verkennt die demokratischen Spielregeln wie den realen Verlauf der Geschehnisse am Runden Tisch: An den ersten zwei Sitzungen des Runden Tisches war über verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten des Straßenverkehrs diskutiert und verschiedene Verkehrslösungen eingebracht worden: von einer Anliegerstraßen-Lösung mit und ohne Schranken bis zu einer Fahrradstraße. Die CDU war bei beiden Sitzungen mit einer ansehnlichen Zahl an Personen vertreten. Allgemein akzeptiert wurde zu Ende des 2. Runden Tisches schließlich ein Verkehrs-Gutachten in Auftrag zu geben. Auf Nachfrage wurde gesagt, dass ein dritter Runder Tisch nicht beabsichtigt sei. Nach Vorlage des Gutachtens wurde aber zu einem 3. Runden Tisch eingeladen, weil dieses Verkehrsgutachten vorgestellt und zur Diskussion gestellt werden sollte. Da war der Ratsentschluss schon gefallen. Aber über zwei Sitzungen des Runden Tisches gab es für die Gegner*innen wie Skeptiker*innen einer Verkehrsberuhigung in den Rieselfeldern viele Möglichkeiten sich zu artikulieren und für ihre Position in der politischen Öffentlichkeit einzutreten, wenn auch nur stellvertretend durch die Teilnehmer*innen an den Sitzungen.
Alle betroffenen Bürger und ihre Interessensvertreter hatten unabhängig vom Runden Tisch die Möglichkeit auch über Leserbriefe, Veranstaltungen zur Stadtteilentwicklung („Stadtteilentwicklungskonzept“), über die BI, Nachbarschaftsgespräche, Demonstrationen etc. ihre Interessen zu artikulieren und zur Diskussion zu stellen. Alle interessierten Personen hatten also ausreichende Möglichkeiten bei der politischen Willensbildung mitzuwirken. Die politische Meinungsbildung wurde im sozialen Umfeld der Rieselfelder geradezu gepflegt. Unter diesen Umständen besonders vehement zu fordern, dass Politiker*innen aus der Ratskoalition extra auf die Ablehner*innen einer Sperrung zuzugehen hätten, wirkt nicht nur angesichts der repräsentativen Demokratie und der grundrechtlich verbrieften Mitwirkungsmöglichkeit der Bürger*innen bei der politischen Willensbildung befremdlich. Seitens der CDU ist niemals jemand auf die Naturschützer bzw. vom Pendlerverkehr enorm belästigten Anwohner zugegangen. Es sollte von anderen Parteien nicht verlangt werden, was man selbst nicht praktiziert hat. Der demokratisch gewählte Rat ist und bleibt das legitime zentrale Entscheidungsorgan, neben der Möglichkeit eines Bürgerbegehrens bzw. Bürgerentscheids. Der Hessenweg und die die bestehende Verkehrsinfrastruktur in und um die Rieselfelder werfen noch genug Probleme auf (s. Ratsbeschluss letzter Teil). U. a. können auch Podiumsdiskussionen ins Auge gefasst werden. Demokratie kann weiter verbessert und noch transparenter werden.